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2. Januar 2018

Das Jahr der Fake-News

Donald Trump hat damit angefangen. Um sich seine Welt so zurecht zu twittern, dass sie in sein schräges Raster passt, mussten zwei Wortschöpfungen her: Alternative Facts und Fake-News. Für mich die eigentlichen Unwörter des Jahres 2017. Weil an ihnen so gar nichts stimmt. Weil sie gefährlich in die Irre führen. Weil sie geeignet sind, Andersdenkende zu diffamieren, Fakten zu fälschen oder zu negieren, und damit demokratische Prozesse auszuhebeln: Nämlich den gewollten (und notwendigen) Konflikt zwischen den Mächtigen und den Medien. Die USA in Zeiten von Trump sind ein Beispiel dafür, die Aktivitäten der Rechten in Europa in den sozialen Netzwerken ein anderes. Nun ist dieses Verhalten, sind diese Machenschaften ja keineswegs neu. Eigentlich seit Menschengedenken werden wir in die Irre geführt, wird uns ein X für ein U vorgemacht, werden wir durch Desinformation und Propaganda, manchmal auch nur durch erfundene Geschichten oder Märchen beeinflusst. Früher nannte man es z.B. Kriegslist. Im sogenannten Kalten Krieg wurden daraus professionelle Desinformations-Abteilungen, zumeist der Geheimdienste. In der Wirtschaft nennt man es schlechtestenfalls Werbung oder Krisen-PR. Und es war schon immer Aufgabe des professionellen Journalismus in modernen, aufgeklärten Gesellschaften, zwischen nachprüfbaren Fakten und Fakes oder platter Propaganda zu unterscheiden.

Warum also plötzlich der Hype um Fake-News und alternative Fakten? Weil uns die digitale Welt neue Formen von Öffentlichkeit beschert. Die neue Medienarchitektur mit Internet, mobiler Verbreitung und sozialen Netzwerken hat die Allmacht von Journalisten und Redaktionen gekippt und die Deutungshoheit über Themen und Wahrheiten denen überlassen, die mit Algorithmen und Big Data, mit Schwarmintelligenz und Lemmingen, mit Gutgläubigen und Gutmenschen besonders geschickt ihr Spiel zu treiben verstehen. Die Datenkraken wie Google, Facebook, Twitter, Instagram und Co. verleiten die Menschen, ihnen für ihre seichten Dienste die eigene Identität zu verkaufen, sorry, zu verschenken. Kommuniziert wird, wie auf dem Jahrmarkt, nicht mehr das, was relevant für unser Zusammenleben ist, sondern Anreize, Impulse, Informationen, die nicht das Wissen mehren, sondern die Emotionen bzw. niedersten Instinkte bedienen. Mit dem nahezu unkontrollierten Zugang von Allen zu dieser neuen Öffentlichkeit und der millionenfachen Vermehrung von unkuratierten Informationen durch Likes und Retweets sind wir in einer Welt mit ganz vielen Filterblasen und Echoräumen angelangt, in denen nicht mehr hinterfragt, sondern geglaubt wird.

In dieser bunten Welt können Fakes und Falschinformationen, gezielte Propaganda und Influencer immer neue Blüten treiben. Deshalb gab es im zu Ende gegangenen Jahr Versuche, z. B. die Wahlen in Frankreich zu beeinflussen. Deshalb konnten Rechte in den USA und in Europa eine Gegenwirklichkeit erzeugen. Deshalb kreieren etablierte Medien und die sozialen Netzwerke voller Panik Anti-Fake-Abteilungen. Ende des Jahres reiben wir uns eher verwirrt die Augen. Schon im Wahlkampf in Deutschland blieb es erstaunlich ruhig in Sachen Fake-News. So fragten sich viele, wie z.B. SPIEGEL ONLINE-Chefredakteurin Barbara Hans, was die Aufregung eigentlich sollte. In der Tat gilt auch nach dem vermeintlichen Medien-Armageddon immer noch die alte journalistische Regel: Recherchieren, recherchieren, recherchieren, möglichst alle Fakten checken, mehrere Quellen schöpfen, alle Seiten zu Wort kommen lassen, Zusammenhänge und Hintergründe aufzeigen. Leider haben in der Vergangeneheit selbst anerkannte Qualitätsmedien allzu leichtfertig gegen diese Regeln verstoßen und sich dann gewundert, dass ihre Glaubwürdigkeit verloren ging. Zeit- und Kostendruck sowie die Verlockungen der neuen Öffentlichkeit in der digitalen Medienwelt dürfen eben nicht dazu führen, professionelle journalistische Grundsätze über Bord zu werfen. Das ist aber kein Selbstläufer. Die Medien und ihre Verantwortlichen müssen jeden Tag darum kämpfen, möglichst im transparenten Dialog mit ihrem Publikum, dieses Vertrauen in die Berechtigung und Notwendigkeit der Presse- und Meinungsfreiheit zurückzugewinnen.