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28. September 2018

Dialog oder Einbahnstraße?

Bericht über das 1. MediaQualityWatch-Forum in Leipzig

Im Rahmen der Vorstellung des Media Quality Watch-Portals (MQW) diskutierten auf Einladung des EIQ und der HTWK Leipzig Medienexpertinnen und -experten über die Frage, warum und wie Qualität in den Medien neu definiert werden muss.

Nach einer Begrüßung durch den Dekan der Fakultät Medien, Prof. Dr. Uwe Kulisch, erläuterte EIQ-Direktor Prof. Wolfgang Kenntemich Entstehung und Aufgabenstellung des von der Friede Springer Stiftung geförderten Projekts. „Wir haben gegen den zunehmenden Verfall von Glaubwürdigkeit der Medien das Thema journalistische Qualität gesetzt“, so Kenntemich. In der digitalen Medienwelt hätten sich die Hierarchien verschoben. Qualitätsdefinitionen wie z.B. Relevanz, Wahrhaftigkeit, Aktualität oder Vielfalt würden nicht mehr vom journalistischen Gatekeeper allein bestimmt. „Damit Gesellschaften nicht von innen erodieren und demokratische Prozesse unmöglich werden, müssen wir uns neu über Qualität als Grundvoraussetzung für Glaubwürdigkeit verständigen“, forderte der EIQ-Direktor.

Zu Beginn des Forums stellten die beiden MQW-Mitglieder Prof. Dr. Gabriele Hooffacker und Dr. Andreas Niekler Konzept und Programmierung der Plattform vor. Zu den Zielen des Portals erklärte Gabriele Hooffacker: „Es soll zunächst einmal sachliche und fachliche fundierte Orientierung bieten sowie die Forschungsergebnisse und Publikationen, Kommentare und politische Aktivitäten in diesem Bereich bündeln.“ Zu den konkreten Inhalten und Leistungen des Projekts gehören:

  • Nachrichten und Veranstaltungen zum Thema Qualitätsjournalismus, Definitionen, Forschungsergebnisse und Publikationen zur Medien-Qualität (serviceorientiert)
  • Beispielsammlung für gelungenen Qualitätsjournalismus und eklatante Verstöße gegen Qualitätsstandards (dialogorientiert)
  • Kuratierte Dialogplattform für Medienmacher, Wissenschaftler, Experten und Publikum (lösungsorientiert)

Auf die Funktionen der Dialogplattform „Media Quality Watch“ ging im Anschluss Andreas Niekler ein. So basiert die technische Lösung auf einem Reputationssystem, in welchen der einzelne Nutzer verschiedene Rechte, wie zum Beispiel das Einstellen von neuen Diskussionsthemen, das Editieren von fremden Beiträgen oder sogar das Löschen von Kommentaren, erwerben kann. Durch die Interaktion der Nutzer untereinander kann die Reputation anderer Nutzer erhöht oder gesenkt werden. Die Diskussionsthemen sind dabei mehrmedial ausgerichtet. So können neben Textbeiträgen auch Videos oder Audiobeiträge eingestellt werden. Die Freischaltung der zunächst noch nicht öffentlich zugänglichen Dialogplattform erfolgt in drei Stufen:

  • Phase 1: Test innerhalb einer ausgewählten Gruppe von Teilnehmern
  • Phase 2: Ausweitung der Testphase auf kontrollierte Gruppen
  • Phase 3: Freischaltung für die Öffentlichkeit

Die anschließende Diskussion warf vor allem drei Fragen auf:

  • Wie sollen Diskussionen auf die Plattform geholt werden?
  • Wie können Teilnehmer für die Plattform gewonnen werden?
  • Wie können Bots und Trolle verhindert werden?

Ohne direkt auf eine spezielle Zielgruppe einzugehen, argumentierten Hooffacker und Niekler in ähnlicher Weise: „Wir wollen die Diskussion aus üblichen Foren rausholen, weil diese zu unübersichtlich sind. Zudem wollen wir jenen Leuten eine Chance zur Diskussion bieten, die über die kleinteilige Facebook-Diskussion ‚mag‘ bzw. ‚mag nicht‘ hinausgeht“. EIQ-Direktor Kenntemich regte dazu an: „Vielleicht brauchen wir einen Freundeskreis.“

Digitalisierung, Partizipation und die Qualitäts-Debatte

Über dieses Thema sprachen Qualitätsmanagerin Sylvia Homann (Radio Hochstift), Fabian Röttcher (MCI) und Boris Lochthofen (MDR). Dabei beschritt Homann einen aus ihrer Sicht neuen Weg, nämlich die Anwendung der ISO-9001-Qualitätnorm auf Redaktionen. Konkret fasste sie die Umsetzung der Norm in dem Kürzel „GAPZ“ zusammen:

  • G = ganzheitliches Denken
  • A = Änderungen gestalten
  • P = Prozesse leiten
  • Z = Ziele diskutieren

Verschiedene technische Lösungen für die Qualitätssicherung in partizipativen Formaten stellt anschließend Fabian Röttcher vor. Sein Fazit: „Durch Asset Management und Künstliche Intelligenz kann im linearen TV, im OTT und in Social Media Mobile Reporting und User Generated Content möglich werden. Boris Lochthofen zeichnete ein Bild des Qualitätsmanagements und der Evaluation aus der Sicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für ihn steht fest, dass das Publikum ein Interesse hat, sich mit Medien auseinander zu setzen. Da Glaubwürdigkeit eine feste Säule der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, muss Transparenz geschaffen werden und verschiedene Produktionsprozesse auch nach außen getragen werden. Dies ist auch ein Ziel des 360G-Projektes, das im MDR Medienthemen für ein größeres Publikum transparent machen soll.

Qualitätsjournalismus als kultureller und demokratiebildender Faktor

Nach der Kaffeepause entführte Uwe Krüger die Teilnehmer in die Niederlande zu der 2013 gegründeten News-Website „De Correspondent“, deren Betreiber journalistische Qualität quasi in zehn Prinzipien neu definierte. So werden dort „verschiedene journalistische Reformprojekte aus den letzten Jahren“ (Krüger), wie zum Beispiel Slow Journalism, Konstruktiver Journalismus, Public oder Civic Journalism und Aktivistischer Journalismus, gebündelt. „Und man pflegt dort das Einbeziehen der Menschen, die früher einmal Publikum genannt wurden.“, so Krüger.

Sven Gösmann stellte in seinem Input die Zusammensetzung der Redaktionen in den Mittelpunkt. „Heute haben wir sehr homogene Redaktionen. Viele Journalisten haben einen ähnlichen familiären und gesellschaftlichen Hintergrund. Und es bewerben sich vor allem die Kinder dieser Journalisten, deren Hintergrund wiederum jenen der Eltern ähnelt.“ Einen Weg aus dieser Ähnlichkeitsspirale sieht Gösmann in der Vergrößerung der Bandbreite. So sollen Redaktionen nicht nur aus Akademikern bestehen, sondern aus Journalisten mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Auch der Gang in die Provinz sollte für dpa-Journalisten kein Problem darstellen, denn „wenn wir in den verschiedenen Regionen nicht mehr vertreten sind, dann verlieren wir auch die Bodenhaftung.“, erklärte Gösmann.

Wie der Dialog zwischen Machern und Nutzern in der digitalen Welt aussehen kann

Im dritten und abschließenden Panel gingen Sandro Witt (DGB Hessen-Thüringen) und Jan Kottman (Google) der Frage nach den Möglichkeiten des Dialogs zwischen Machern und Nutzern nach. „Kommunikation in der digitalen Welt ist ein Mythos bzw. eine Einbahnstraße.“, stellte Sandro Witt zu Beginn seines Inputs provokativ fest, „denn die Nutzer*innen haben keine Ahnung von den Machern, und die Journalist*innen kennen bzw. verstehen die Nutzer*innen nicht.“ Eine konkrete Lösung für dieses Problem bot Witt nicht an, aber aus seiner Sicht sollte die Kommunikation zumindest auf Augenhöhe stattfinden.

Warum sich Google mit Medieninhalten beschäftigt, wurde von Jan Kottmann kurz erklärt: „Qualitativ hochwertige Medieninhalte sind die Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Suche.“ Dabei ist eine Form der Qualitätssicherung, dass die Nutzer auf Fehlergebnisse bei der Suche aufmerksam machen, also ein Qualitätsfeedbacksystem.

Ein paar Eindrücke vom Forum finden Sie in der Fotogalerie.