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13. Oktober 2013

Kenntemich Medien Kolumne

HuffPost goes German

Das Gegenmodell zu Springers Paywall-Experimenten ist da! Ausgerechnet mit kräftiger Unterstützung von Hubert Burdas Medienimperium startete jetzt die deutsche Ausgabe der Internetzeitung „Huffington Post“. Kostet nix, ist nix – das trifft auf den ersten Lese-Blick nicht zu. Trotz verbessungsfähigem Design, jede Menge aktuelle Nachrichten, eigene Geschichten und Blogs aus dem World Wide Web. Der ambitionierte Versuch, traditionellen und netzaffinen Journalismus zusammen zu bringen.

Noch wirkt die deutsche HuffPost unsortiert, wie eine unausgereifte Weiterentwicklung der 2003 (!) von Ralf-Dieter Brunowsky und Michael Maier übernommenen „netzeitung“. Die ging nach mehreren Zwischenverkäufen und sträflich vernachlässigt bei NevenDumont 2009 den Gang alles Irdischen. Interessant und lesenswert deshalb Brunowskys aktueller Business-Blog zum Thema: www.brunowsky.blogspot.de

Zwei Fragen stellen sich: 1. Wird die HuffPost in Deutschland genauso ein Renner wie in den USA und anderen Teilen der Welt mit insgesamt 77 Millionen (USA: 43 Mio) Lesern? 2. Wie sieht es mit der journalistischen Qualität aus?

Zu 1.: Noch ist die Medienvielfalt auch auf dem Zeitungsmarkt in Deutschland deutlich ausgeprägter als in den USA und in den meisten anderen Ländern der Welt. Aber wie lange noch? Vor allem junge Menschen, und dazu kann man inzwischen getrost die bis 40jährigen zählen, nutzen Medien digital und mobil. Sie entwickeln ein anderes Nutzungsverhalten, wie Interaktivität, größere Nachrichtenfülle und -geschwindigkeit, Vorliebe für freche Blogs statt staatstragender Kommentare. Dazu kommt mit Tomorrow Focus ein starker Vermarkter. Spiegel-online und Bild.de müssen sich warm anziehen.

Zu 2.: Viele witzige bzw. kontroverse Blogs sind nach kein Qualitäts-Nachweis. Im Gegenteil: Häufig schmücken sich Blogger mit ungeprüften Fakten und unbelegten Schuldzuweisungen. Frech ist eben nicht immer richtig. Und nach welchen Kriterien werden die Beiträge eigentlich ausgewählt? Auch die Nachrichtenauswahl der HuffPost wirkt zumeist zufallsgeneriert, nur ausführlicher und bildstärker als die Nachrichtenseiten der einschlägigen Suchmaschinen. Inzwischen kann sich die Huffpost mit dem Pulitzerpreis für eigene investigative Storys schmücken. Ein Weg in Richtung Qaulitätsjournalismus, den HuffPost-Gründerin Arianna Huffington zunehmend anmahnt. Und dass der von mir durchaus geschätzte Cherno Jobatay (bemerkenswerte Portrait-Gespräche im ZDF-Frühstücksfernsehen) oder ein Boris Becker als Werbe-Ikonen auch Herausgeber sein dürfen, garantiert noch kein professionelles journalistisches Handwerk.

Das EIQ wird die deutsche HuffPost mit Interesse, aber auch mit einer notwendigen Portion Skepsis weiter beobachten.