Nachrichten

Nachrichten

6. August 2014

Kenntemich Medien Kolumne

Der Umfrage-Wahn(sinn)

„Idioten“ sind jene KollegInnen für Klaus Kleber, die bei „Deutschlands Beste“ im ZDF das Ranking manipuliert haben. Kennen wir doch schon vom ADAC. Beim öffentlich-rechtlichen Anspruchs-Sender wiegt der Blöff mit den Umfrage-Daten noch mal schwerer. Ok, es war keine Politik- oder Wahl-Sendung, eine Unterhaltungsshow eben. Es darf also gelacht werden. Oder etwa nicht?
Der ZDF-Skandal ist leider nicht wirklich neu, und mit Sicherheit kein Einzelfall. Seit alles so schön digital und damit interaktiv geworden ist, sind Deutschlands Medien im Umfrage- (und Ranking-)Wahn. Volkes Stimme zählt eben doppelt. Und seien die Fragestellungen noch so absurd, und die Antworten noch so sinnfrei. Im Internet, das ist zudem noch rückkanalfähig, lässt sich prima mit einem Mouse-Klick voten. Das ist modern, vor allem bei jungen Leuten beliebt. Das meinen zumindest viele Medien-Macher. Was haben wir aber davon, wenn uns eine öffentliche Meinung vorgegaukelt wird, die so gar nicht existiert?
Klar, es gibt auch seriöse Umfragen. Zum Beispiel die Wahltags-Befragungen von Infratest-Dimap bzw. der Forschungsgruppe Wahlen für den Trend um 18.00 Uhr am Wahlabend. Häufig wird das endgültige Wahlergebnis bis auf die Stelle hinterm Komma genau vorherberechnet. Hintergrund sind riesige Fallzahlen von Befragten vor den Wahllokalen, präzise Hochleistungsrechner und große Stäbe erfahrener Demoskopen. Auch Deutschlandtrend und Politbarometer kommen vergleichbar seriös und glaubhaft daher. Derartige Umfragen werden von der Fragestellung bis zur Auswahl der (repräsentativ) Befragten seriös erarbeitet und durchgeführt. Demoskopen sind Umfrage-Experten mit wissenschaftlichem Anspruch.
Aber auch unter ihnen gibt es schwarze Schafe, die sich kaufen lassen. Oder politisch motiviert manipulieren. Die Umfrage-Ergebnisse sind schließlich keine 1 zu 1 abbildbaren Datensätze. Sie müssen ausgewertet, gewichtet, interpretiert werden. Da bleibt viel Spielraum für Ergebnis-Kosmetik.
Großer Beliebtheit erfreuten sich seit 1980 insbesondere im Fernsehen sogenannte TED-Umfragen. TED steht für Tele-Dialog. Horst Schättle entwickelte beim ZDF zusammen mit der Post ein System, in dem Zuschauer bei TV-Sendungen live per Telefon abstimmen konnten. Ihre Stimmen wurden über einen Impulsmesser unmittelbar ausgewertet und angezeigt. Diese Umfragen waren selbstverständlich nicht repräsentativ. Einzelne Interessengruppen konnten ihre Mitglieder dazu aufrufen, tausendfach für ein ihnen genehmes Ergebnis zu stimmen. Dies kam häufig vor und wurde ebenso oft ignoriert. Kennen wir z.B. vom Eurovision Song Contest – Germany sero points… Immerhin verständigten sich schließlich die elektronischen Medien darauf, TED nicht für Umfragen zu politischen Themen zu nutzen.
Eine neue Generation von Medien-Machern wächst mit einer digitalen interaktiven Welt auf, die scheinbar den permanenten Echtzeit-Dialog mit dem Nutzer, Zuschauer, Hörer, Rezipienten ermöglicht. Das wird fröhlich genutzt. Gibt ja auch immer ganz spannende Ergebnisse. Und dann kann man zur Illustrierung ja noch den Praktikanten oder Volontär losschicken, um zu dem interessanten Ergebnis rasch noch eine Strassen-Umfrage unter Passanten zu machen – mit Aussagen, die natürlich haargenau zum vorgefundenen Meinungstrend passen. Manipulation bis zum bitteren Ende eben. Was scheren einen da noch Transparenz der Fragestellung, Zusammensetzung der Befragten, fundierte Auswertungs-Methodik.
Hier hilft nur noch: Schluss mit dem Umfrage-Wahn(sinn). Wie bei TED (wenigstens ansatzweise) müssen klare, für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Regeln her, die präzise Auskunft über Entstehung und Auswertung jeder Umfrage geben. Sonst sind der Meinungs-Manipulation ökonomisch oder politisch motivierter Gruppen oder Einzelpersonen Tür und Tor geöffnet.
Wie soll Winston Churchil es formuliert haben: Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe. Aber das wiederum soll ihm doch von der Nazi-Propaganda in den Mund gelegt worden sein, um seine Kriegspropaganda zu entlarven, oder. So geht das eben in der Welt der Des-Information.