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29. Januar 2014

Naturschutzgebiet und Stiefkind – das Radio

Unter dem Titel „Eigene Gattung, eigene Regulierung? Hörfunk vor der Herausforderung der Konvergenz“ luden die medienanstalten, die LMS und die RTR (Rundfunk & Telekom Regulierungs-GmbH, Österreich) am 11. November 2013 zu einem Dialog in Berlin in die österreichische Botschaft Berlin ein. Diskutiert wurden die Themen DAB+ und Internet-Radio als mögliche Ablösung von UKW; die unterschiedliche Regulierung von Radio und Internet-Radio sowie die ungetrennte Regulierung von Fernsehen und Radio. Am Vormittag stand das Thema „Digitalisierung des Hörfunks“ im Mittelpunkt, am Nachmittag wurde über Regulierungsfragen diskutiert.

„Das größte Problem des Digitalradios scheint der Erfolg von UKW zu sein.“, konstatierte Dr. Alfred Grinschgl (Geschäftsführer für den Fachbereich Medien der RTR-GmbH, Österreich). Was macht nun aber diesen Erfolg aus? Oder anders gefragt: Warum wollen die Hörer und Hörerinnen nicht auf DAB+ bzw. Internet-Radio umsteigen? Hier wurden zwei Gründe genannt: zum Einen die problemlose und gute Empfangsqualität von UKW und zum Anderen die nicht wahrgenommene Programmvielfalt auf den digitalen Verbreitungswegen. Mag. Karl Amon (Hörfunkdirektor des ORF, Wien) stellte fest: „In Österreich gibt es 5,5 Radiogeräte pro Haushalt.“ und stellte angesichts dieser Zahl die Fragen an die Diskussionsrunde: „Warum soll ich wechseln? Welche Vorteile sind zu erkennen?“

Die Radiomacher auf dem Podium machten aber nicht allein die Hörer und Hörerinnen für die schleppende Verbreitung des digitalen Hörfunks verantwortlich. So brachte Willi Schreiner (Geschäftsführer „Digitalradio Deutschland GmbH“ sowie „Die Neue Welt GmbH & Co.KG“, Nürnberg) auch die „Trägheit der Veranstalter“ in die Diskussion ein. Diesem Argument fügte Dr.Willi Steul (Intendant des DeutschlandRadio, Köln) aus ökonomischer Perspektive hinzu, dass der private Monopolist in einem Verbreitungsgebiet kein Interesse daran haben könne, das teure UKW aufzugeben, weil dann durch die Kostensenkung bei der Verbreitung, mehr Konkurrenz in seinem Verbreitungsgebiet entstehen würde. Für das DeutschlandRadio gelte diese Argumentation nicht, fügte Steul sogleich hinzu, hier bestehen Interessen an der digitalen Technologie im Sinne von Broadcast, weil dies die nationale Verbreitung von DeutschlandRadio wesentlich verbessern würde, also kein Frequenzmangel mehr bestehe. Der einzige echte Monopolist auf dem Podium, Hörfunkdirektor Amon (ORF) meinte dazu, dass er sich mit einem Marktanteil aller ORF-Radios zusammen mit 75 Prozent sehr wohl in seinem Naturschutzgebiet fühle. Konkurrenz sieht er weniger in den österreichischen Privatradios, sondern vielmehr in den Automobilherstellern, die bei einer Umstellung auf DAB+ sich auf den Verbreitungsweg draufhängen könnten und dann dem Radio Kompetenzen wie den Verkehrsfunk streitig machen könnten. Die Position der freien Marktwirtschaft vertrat Boris Lochthofen (stv. Vorsitzender der APR, Geschäftsführer RADIO PSR, R.SA, Leipzig). Aus seiner Sicht herrsche heute Vielfalt durch die verschiedenen Verbreitungsmöglichkeiten. Die Entscheidung über den Verbreitungsweg solle, so Lochthofen, eine unternehmerische und keine politische Entscheidung sein und sprach sich entschieden gegen eine UKW-Abschaltung aus.

Die Frage, ob und wann UKW abgeschaltet werden soll, konnte auf dem Podium nicht eindeutig geklärt werden. Dr. Tilmann Lang (Planungsreferent der MA HSH und Mitglied der TKLM) wies daraufhin, dass die bestehende UKW-Struktur nicht 1:1 in digitale übersetzt werden könne. Eine UKW-Abschaltung bedeute eine komplette Strukturveränderung. Und regulatorisch kriegen wir in das System keine Bewegung rein. Für Willi Schreiner soll UKW analog bleiben, ist aber ohne Zukunft. „DAB+ ist die Zukunft.“, meint Dr. Willi Steul dazu und verwies auf die Regionen Indien und Afrika. Aus österreichischer Sicht plädierte Dr. Alfred Grinschgl dafür, dass der ORF und die privaten Radios gemeinsam umstellen sollten. Wann? 2017, 2020, 2025.

Waren am Vormittag die Radiomacher am Wort, waren es am Nachmittag die Regulierer. Dr. Gerd Bauer (Hörfunkbeauftragter der DLM, Direktor der LMS, Saarbrücken) stellte in seinem Impulsreferat die wesentlichen Punkte vor:

  • Hörfunk soll in die Binnenmarktregulierung eingegliedert werden.
  • Hörfunk soll eine eigene Regulierung bekommen im Sinne eines ausdifferenzierten Medienstaatsvertrags.
  • Aufhebung der Zulassung beim Radio im Sinne einer ex-post-Aufsicht.

Gegen die heute bestehende Stiefkindregulierung sprachen sich Johannes Kros (stv. Geschäftsführer der BLM, München) und Klaus Schunk (Vizepräsident des VPRT und Geschäftsführer Radio Regenbogen, Mannheim) aus. Mag. Michael Ogris (Vorsitzender der KommAustria, Wien) erklärte, dass die Situation in Österreich ähnlich sei und sprach sich für gleiche Regelungen, aber unterschiedlich, wo es das Medium Hörfunk fordert, aus. „Komme mir vor wie Mr. Spock im Raumschiff Enterprise.“, kommentierte Marcel Regnotto (Leiter der Sektion „Medien“ des Bundesamts für Kommunikation – BAKOM, Biel, Schweiz) und erklärte, dass es dieses Problem in der Schweiz nicht gebe.

Zum Punkt abgestufte Regulierung schilderte Peter Matzneller (stv. Geschäftsführer des Instituts für Europäisches Medienrecht – EMR, Saarbrücken), dass die Franzosen und Italiener die Frage nach der Notwendigkeit einer Zulassung vom Jahresumsatz abhängig machen (Unter 75.000 bzw. 100.000 Euro ist keine Zulassung notwendig unabhängig vom Verbreitungsweg.). – Dieses Kriterien wurde von den anderen Podiumsteilnehmern als nicht zielführend verworfen.

Klar gegen eine Radioregulierung auf europäischer Ebene war Klaus Schunk. Mag Ogris war hier skeptisch und verwies auf Schwierigkeiten bei der Auslegung von Begriffen zwischen Österreich und Deutschland als Beispiel (Pornographie – Erotik; alkoholische Getränke). Dr. Jürgen Brautmeier (Vorsitzender der DLM und Direktor der LfM, Düsseldorf) meinte in seinem Schlusswort dazu, dass zuerst die Hausaufgaben auf nationaler Ebene erledigt werden müssen, dann können wir nach Europa gehen.

Abschließend wurden die Teilnehmer nach den Baustellen gefragt. Marcel Regnotto meinte dazu: „Wir müssen uns von der Vorstellung, Supermänner zu sein, verabschieden. Wir müssen uns im Sinne einer intelligenten Regulierung zurückziehen und die Unterstützung ge- bzw. erwünschter Leistungen erbringen.“ Gegen eine vollkommene Deregulierung sprach sich Mag. Ogris aus: „Man kann sich nicht selbst abschaffen.“ Trotzdem sieht er eine Deregulierung im Bereich der Zulassung als sinnvoll. Mag. Ogris nannte als weitere Baustelle die Abgrenzungsproblematik zwischen visuellem Radio und Fernsehen. „Soll die Zulassung nach dem Fernsehgesetz oder nach dem Radiogesetz erfolgen, wenn es um visuelles Radio geht?“ Oder anders ausgedrückt von Marcel Regnotto: „Muss ich die Realität vor der Regulierung rechtfertigen?“ Eine weitere Baustelle nannte Dr. Bauer – die Gefahr der Diskriminierung durch Plattformbetreiber.

Das Schlusswort hielt Dr. Jürgen. Trotz aller juristischen und ökonomischen Perspektiven stellte er fest: „Die Inhalte müssen den Karren ziehen.“