Kenntemich Medien Kolumne
Medien im Kreuzfeuer
Seit der Zeit der Aufklärung in Europa sind unabhängige Medien Garanten der freien Meinungsäußerung und damit demokratischer Gemeinwesen. Das Hambacher Fest war in Deutschland dafür ein Meilenstein. „Ein hohes Gut, das es zu bewahren und verteidigen gilt“, war die Kanzlerin unlängst zu vernehmen. Politiker nahezu aller Richtungen, die sich selber oft schwer tun im Umgang mit kritischen, investigativen Journalisten, wurden zu glühenden Verteidigern der Pressefreiheit.
Unmittelbarer aktueller Anlass der heftigen öffentlichen Debatte über die Medien sind zweifelsfrei der islamistisch-terroristische Anschlag auf das Pariser Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ und die massiven öffentlichen Journalisten-Beschimpfungen der Pegida-Demonstranten in Dresden. Deren „Lügenpresse“-Vorwurf als Anleihe beim Nazi-Propaganda-Profi Goebbels, der vor allem Juden und Kommunisten in den Medien meinte, schaffte es zum „Unwort des Jahres“. Aber auch Umfragen der letzten Jahre belegen ein miserables Image der Journalisten. Und Kommunikationswissenschaftler wie Prof. Wolfgang Donsbach konstatierten bereits vor Jahren eine Glaubwürdigkeits-Krise der Medien und ihrer Macher.
Die Medien stehen also wie selten zuvor im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik aus unterschiedlichsten Richtungen. Dass Islamisten oder Neonazis, deren Denkstrukturen eher im finstersten Mittelalter anzusiedeln sind, Probleme mit freier Meinungsäußerung und Pressefreiheit haben, ist nicht gerade verwunderlich. Man könnte dies leicht mit einem Mangel an Aufklärung abtun. Wer jedoch genauer hinsieht, entdeckt auch in anderen Bevölkerungsgruppen ein zunehmendes allgemeines Unbehagen über Aufgaben und Arbeit der Medien und der Journalisten. Das lässt sich unter anderem fest machen an der Welle der Kritik an einer angeblich einseitigen Berichterstattung westlicher Medien in der Ukraine-Krise.
Dazu kommt, dass die klassischen Medien und professioneller Journalismus vor nie da gewesenen Herausforderungen stehen. Die digitale Revolution verstärkt Konkurrenz- und Zeitdruck, finanzielle Ressourcen schwinden oder verlagern sich ins Internet mit seinen neuen medialen Regeln und Wahrnehmungen. Das bedeutet: Nur wer schneller ist, die größere Sensation bietet, mehr zuspitzt als andere, gewinnt Aufmerksamkeit in unserer an Kommunikations-Reizen nicht gerade armen Zeit. Eine fatale Spirale in einen Abgrund aus Verflachung, Spekulation, Boulevardisierung und Emotionalisierung. Grund genug, dass wir Journalisten genauer auf Ursachen und Auswege aus der Krise schauen sollten.
2015, das so fatal begann, wird ein Jahr werden müssen, in dem eine ernsthafte Debatte über Rolle und Verantwortung von Medien und Journalisten in der digitalen und globalisierten Welt beginnen muss. Bei allen nach wie vor hervorragenden journalistischen Leistungen und neuen Recherche- und Darstellungsformen wie im Daten-Journalismus wird u.a. zu klären sein, ob die tradierten redaktionellen Strukturen und Arbeitsabläufe noch gelten, wie Qualität trotz schwindender Finanzen generiert werden und wie europaweit eine Art Quality-Watch-Plattform geschaffen werden kann. Mit diesen Fragen wird sich unter anderem das Europäische Forum Qualitätsjournalismus des EIQ am 4./5. Juni in Berlin befassen. Es geht um nichts weniger als die Frage, ob unabhängige Medien auch künftig noch Garanten der Meinungsfreiheit in einer funktionierenden Demokratie sein werden.